KontaktAufnahme

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00:00:04: Das

00:00:25: ist die Zeit, in der wir traditionell an die Verstorbenen denken.

00:00:31: Aber mal ehrlich, sterben, das tun doch immer die

00:00:34: anderen,

00:00:34: oder?

00:00:35: Die Alten, die Kranken.

00:00:38: Was aber, wenn der Tod viel näher ist als wir glauben?

00:00:44: Darüber spricht Katja Levina in ihrem Buch.

00:00:47: Was ist schon für immer.

00:00:49: Im März durfte ich mit ihr im Bildungszentrum ein bewegendes Gespräch führen, das Sie gleich hören.

00:00:56: Und

00:00:57: kleine Spoiler, wir haben dabei auch viel gelacht trotz des Themas.

00:01:02: Noch der Hinweis, Katja Levinas neues Buch, Wir können doch Freunde bleiben, Trennungsgeschichten aus der Höhle, erscheint am zehnten Oktober, im Dimo Verlack.

00:01:16: Die Tonqualität der Aufnahme ist nicht immer perfekt, besonders bei den Publikumsfragen, aber das Gespräch war einfach zu schön,

00:01:26: um es innen vorzuenthalten.

00:01:29: Guten Abend.

00:01:30: Mein Name ist Grasina Wannert.

00:01:31: Ich begrüße Sie herzlich zu der neuen Veranstaltung in der Reihe Sachbuch des Monats.

00:01:37: Heute haben wir zu Gast Katja Levinna.

00:01:40: Katja Levinna wurde in Moskau geboren, studierte Slowistik sowie Literatur und Religionswissenschaften und arbeitet als freie Autorin für namhafte Medien.

00:01:53: Drei Jahre in Folge erschienen ihre Spiegelbestelle über Sex.

00:01:57: Sie hat Bock.

00:02:05: Und dann... ist plötzlich ihr siebenjähriger Sonn gestorben, anschließend bekam sie selbst eine Diagnose und weiß seitdem, dass sie mit einer unerkannten Herzerkrankung lebt, die jede Zeit zum plötzlichen Tod führen kann.

00:02:22: Und deswegen handelt das letzte Buch von Katja Levina nicht vom Sex, sondern vom Tod.

00:02:28: Das heißt, was ist schon für immer von Leben mit der Endlichkeit?

00:02:32: Begrüßen Sie jetzt unseren Gast, bitte.

00:02:34: Danke.

00:02:41: Und so kommen wir zu der ersten Frage.

00:02:44: Was ist in der Öffentlichkeit mehr tabuisiert?

00:02:47: Der Sex oder der Tod?

00:02:48: Ja, bevor ich mit dem Tod so konfrontiert worden bin, wie Sie das eben beschrieben haben, hätte ich eigentlich gesagt, das ist die Sexualität.

00:02:55: Also ich habe ja vorher, Sie haben es erwähnt, journalistisch zum thema sex ganz viel geschrieben aber eben auch drei bücher veröffentlicht und mir ging es immer um so tabus also dinge über die man nicht sprechen darf dinge die man nicht denken darf rollen klischees was denken wir was wir was wir tun müssen wer wir sein müssten im bet in der beziehung auf dieser welt.

00:03:20: so und da bin ich schon sehr gegen mauren an gerannt und habe oft auch eine sprachlosigkeit und hilflos und dachte, wow, das ist krass.

00:03:31: Ich mache hier was total absurd Wahnsinniges, dass das die Menschen so auf so eine merkwürdige Art und Weise berührt.

00:03:41: Aber da kannte ich eben den Tod noch nicht.

00:03:43: Also so eine Sprachlosigkeit wie in dieser Begegnung habe ich in meinem Leben noch nicht erlebt.

00:03:51: Und nach und nach wurde mir auch bewusst, dass eigentlich der Tod sehr viel krasser ist.

00:03:59: als der Sex.

00:04:00: Ich weiß nicht, ob einige von ihnen sich schon so ein bisschen mit dem Thema Tod beschäftigt haben.

00:04:05: Vielleicht auch philosophisch, historisch.

00:04:07: Es gibt ein ganz tolles Buch vom Historiker Philipp Ariès, der hat die Geschichte des Todes im Abendland geschrieben.

00:04:14: Und der sieht das auch so ein bisschen sozialwissenschaftlich und sagt tatsächlich, in unserer heutigen Zeit hat der Tod die Sexualität als größtes Tabu abgelöst.

00:04:26: Also wir erklären unseren Kindern inzwischen relativ freimütig, wie das ist, wie die Kinder zur Welt kommen, was da passiert, mit den Geschlechtsteilen und so weiter, wie viel Spaß man dabei haben kann.

00:04:38: Aber wenn es an den Tod geht, dann versuchen doch die meisten immer noch die Kinder, die Kinder von ihm fernzuhalten.

00:04:45: Sie finden so Euphemismen wie ja die Oma, die sitzt jetzt auf einer Wolke, der Papa, der schaut auf dich herab, was auch immer.

00:04:54: Also dieser tote Vogel ist jetzt an einem besseren Ort.

00:04:57: Wir finden sehr, sehr viele Ausreden, um eigentlich nicht sagen zu müssen, was da Schlimmes in Anführungszeichen, vielleicht ist es gar nicht so schlimm, darüber können wir ja gleich noch reden, aber was da für uns sehr, sehr Furchterregendes passiert.

00:05:13: Wir haben alle sehr viel mehr Angst vor dem Tod als vor der Sexualität.

00:05:19: Okay.

00:05:20: Und wenn man darüber Bücher schreibt und dann in die Lesungen geht, dann wird man werden auch Fragen gestellt, ziemlich direkte Fragen.

00:05:29: Was fühlt sich dann intime an und geht mehr an die Grenzen des privaten?

00:05:33: öffentliche Gespräche über Sex oder über den Tod?

00:05:36: Man muss das zulassen wollen und können.

00:05:39: solche Gespräche, wo man muss man dann eine Grenze mehr...

00:05:44: Ich musste mir schon oft nachsagen lassen, was meine eigene Sexualität angeht.

00:05:48: Meine Erfahrungen sei ich ja so ein bisschen exhibitionistisch und da merke ich auch, da ich gar keine Schamgrenzen, dass mir auch alles egal können, alle gerne wissen oder auch nicht wissen.

00:05:59: So wie es sie interessiert, kann ich wirklich jede Frage zu beantworten.

00:06:03: Aber interessanterweise schwöre ich, dass der Tod meines Sohnes mich ja sehr, sehr intim getroffen hat.

00:06:11: Es fällt mir super leicht, auch über meine eigene Sterblichkeit zu sprechen.

00:06:15: Es fällt mir ganz leicht zuzugeben, wie große Angst ich manchmal davor habe, zu sterben, was es mit meiner Erkrankung auf sich hat und so weiter.

00:06:23: Also all diese eigenen Mängel sozusagen, die kehre ich sehr, sehr gerne, sehr leicht auch raus.

00:06:31: Weil ich glaube, dass wir die alle auch haben auf eine Weise.

00:06:33: Also wir uns alle eint ja diese Angst oder diese Ungewissheit und alle eint auch die Sterblichkeit, auch die, die gesund sind.

00:06:40: sich gesund fühlen.

00:06:42: Es wird uns allen eines Tages widerfahren.

00:06:44: Aber dass mein Kind gestorben ist, das ist etwas, das trägt ja so eine Warnwitzigkeit irgendwie mit sich, so eine Unnatürlichkeit.

00:06:55: Das ist ja nichts, was von dem du denkst, dass das irgendwie in so einem natürlichen Lebensablauf vorkommen sollte.

00:07:03: Und da bin ich immer noch am verletzlichsten irgendwie und am wundesten auch und vielleicht liegt es auch daran.

00:07:10: dass das Thema Mutter sein, auch eh so ein Speziales ist.

00:07:14: Also alle, die Kinder haben, wissen das.

00:07:17: Man kann es halt eh irgendwie nicht perfekt machen und vergleicht sich immer mit anderen, vergleicht sich mit der eigenen Mutter und so weiter.

00:07:24: Also alles, was mit den eigenen Kindern zu tun hat, da sind wir ja schon irgendwie besonders verletzlich.

00:07:29: Und wenn ein Kind stirbt, dann glaube ich erst recht nicht.

00:07:31: Ich glaube, das ist auch das Schlimmste, was einem so passieren kann, wenn man Kinder hat.

00:07:35: Also, dass ein Partner stirbt oder irgendwie ... Die Eltern sterben, davon wissen wir, dass das irgendwie passieren kann.

00:07:42: Aber wenn es eben dem eigenen Kind passiert, dann ist das schon irgendwie, ich finde es immer noch unfassbar, noch heute.

00:07:49: Und kann man so eine Art Distanz aufbauen für Veranstaltungen, dass man so ein bisschen so ein Ritual aufgebaut hat und erzählt darüber, wie ein bisschen durch seine Wand, oder ist es jedes Mal wirklich, kommt ganz nah aufs Neue?

00:08:05: So eine Veranstaltung, wie wir jetzt hier sitzen, funktioniert das eigentlich ganz gut.

00:08:09: Ich glaube auch, dass ich wühne kann generell.

00:08:12: Das fällt mir leicht.

00:08:14: Aber was ich merke ist, ich habe wahnsinnig langere Generationszeiten nach so Lesungen wie heute, dass ich dann so im Nachgang merke, ich bin wahnsinnig dünn heute, ich irgendwie mich nervt alles.

00:08:25: Ich brauche viel Schlaf, ich will dann sofort im Sett.

00:08:28: Manchmal ist es ja so, dass man nach so einer Veranstaltung dann auch mit den Leuten zusammensitzt, mit der Moderation.

00:08:34: dringend geht.

00:08:36: Also wirklich mit diesem Buch überhaupt keinen Bock drauf, da brauche ich meine Ruhe und so spüre ich das dann schon.

00:08:42: Und es kam relativ bald das Buch.

00:08:45: War das also eine selbstverständliche Entscheidung für eine Autorin?

00:08:48: Ich verarbeite meine Probleme, meine Dramen, mein Leben, indem ich schreibe oder weiß auch seine Überwindung zunächst.

00:08:56: Ich würde mal sagen, ohne jetzt für alle AutorInnen auf dieser Welt schlechen zu können, aber für die meisten, die ich kenne, eigentlich alle, ist das immer eine Selbstverständlichkeit, Dinge zu verarbeiten, die man selbst erlebt hat und die einen nahe gehen, die einen berühren.

00:09:09: Egal, ob das jetzt ein Sachbuch wird.

00:09:11: man erzählt so und so war das oder ob man Roman drauf schreibt und ein paar Dinge verfremdet.

00:09:18: Aber am Ende schöpfen ja die aller allermeisten Menschen, die schreiben aus sich selber, selbst wenn sie das irgendwie auf Fernplaneten spielen lassen, was sie uns erleben lassen wollen.

00:09:29: Das sind immer Themen, die ein selber irgendwie umtreiben.

00:09:33: Ich durfte vor einigen Monaten ein Gespräch mit Daniel Schreiber moderieren.

00:09:38: Über sein Buch die Zeit der Verluste.

00:09:41: Und jetzt hatte ich das Gefühl, während ich das Buch gelesen habe, dass es die zwei Bücher ein bisschen doch im Dialog sind.

00:09:49: Und sie zitieren auch mindestens, glaube ich, zweimal Daniel Schreiber und er schreibt auch hier seine Empfehlung, berührend und brillant, ernst und trotzdem beschinkt.

00:09:58: Kann man ein schönes Buch über das Sterben schreiben?

00:10:01: Eigentlich nicht.

00:10:01: Katja Levina ist es trotzdem gelungen.

00:10:03: Es

00:10:04: wird immer noch ganz rot, wenn ich an dieses Zitat von dem denke, weil das ist schon sehr... Und auch eine Adelung,

00:10:11: ja.

00:10:12: Und es ist mir sehr stark in Erinnerung geblieben, auch dieses Gespräch damals mit ihm.

00:10:17: Und wir haben uns viel darüber unterhalten, wie sprachlos wir alle sind, am Gesicht des Todes.

00:10:23: Das ist das eine.

00:10:24: Aber auch in Kontakten mit trauenden Menschen, dass wir überhaupt nicht wissen, wie wir uns verhalten sollen, wie wir uns verhalten können.

00:10:31: Und dann machen wir ziemlich viel falsch.

00:10:34: Was kann man da wirklich falsch machen?

00:10:37: Und wie macht man es richtig?

00:10:39: Ich merke, dass mich die Frage ein bisschen irritiert.

00:10:43: Weil ich das Wort falsch so schwierig finde.

00:10:46: Ich kann mich erinnern, dass mich sehr vieles hat fühlen lassen, dass hier jemand was falsch macht.

00:10:52: Aber ich sehe das natürlich mit einigen Abstand auch viel, viel milder.

00:10:56: Weil man muss sich vorstellen, also wenn eine geliebte Person stirbt, dann ist man ja wirklich wie so ein bundesstück Fleisch eigentlich.

00:11:03: Und alles tut weh und alles stört.

00:11:05: Und die Leute sagen die falschen Dinge.

00:11:09: Man ist einfach superverletzlich und ganz, ganz zart.

00:11:13: Dann kann eine Menge in die Hose gehen.

00:11:15: Aber was ich finde, was niemals in die Hose geht, ist, wenn man selber in eine Empathie versucht reinzukommen, wenn man versucht, von sich selber abzusehen und davon, was man da irgendwie kann und nicht kann und ob man jetzt die richtigen Worte findet oder was auch immer, sondern sich einfach aufmacht für diese Person, die gerade ... dass es wirklich Schlimmes durchmacht, wenn man Hilfe nicht nur anbietet, sondern aktiv reingeht und weiß ich nicht, Essen hinstellt oder ein Massagegutschein schenkt oder anfasst.

00:11:50: Also ich finde auch Anfassen total wichtig.

00:11:53: Dieses wir versteinern ja auch oft in so Schreck- und Trauersituationen.

00:11:58: Und wenn dann einmal einer über die Schulter streicht oder fest umarmt oder weiß ich nicht, mal eine Fußmassage anbietet.

00:12:06: oder so, dann kann das wirklich wirklich vieles lösen.

00:12:11: Also ich glaube körperliche Nähe, emotionale Nähe ist wirklich das, was Menschen in solchen Situationen brauchen.

00:12:17: Falsch und richtig meinte ich auch nicht wirklich bewertend, sondern wir machen es falsch, weil wir es nicht besser wissen.

00:12:24: oft.

00:12:24: Und oft reagieren wir so, dass wir das Gefühl haben, also mir ging es auch oft so im Leben, dass ich das Gefühl hatte, ich schütze diese Person, indem ich darüber nicht spreche.

00:12:34: Und jetzt, in der Zeit, habe ich es schon verstanden, dass es eigentlich falsch ist.

00:12:38: Und oft ist es so, dass die trauen Personen eben darüber sprechen wollen und nichts zu tun, als ob nichts wäre.

00:12:44: Da habe ich mir auch notiert, dass es ist diese... Schöne Zitat.

00:12:49: aus ihrem Buch.

00:12:50: Innen wird es vermutlich nicht viel anders gehen als den meisten Menschen, die mit meiner Geschichte konfrontiert sind.

00:12:56: Sie fühlen sich sehr, sehr unangenehm berührt.

00:12:59: Ungefähr so unangenehm, als würde sich ein Elefant mit all seinen vierstämmigen Stampfern auf ihrem Brustkorb stellen.

00:13:07: Ich finde diese Formulierung auch unangenehm berührt.

00:13:11: Das ist eine tolle Formulierung und das ist sehr treffend.

00:13:14: So ist es, wenn man nicht wirklich weiß, wie jetzt umgehen.

00:13:17: Total.

00:13:18: Das ist ja auch das, was ich immer wieder erlebe, wenn ich davon erzähle, was passiert ist.

00:13:22: Also ich habe irgendwie in Lange nicht gesehen oder mir begegnet jemand und zufällig kommt.

00:13:29: So oft passiert es nicht, aber manchmal kommt eben das Thema doch drauf.

00:13:32: Wie ist es mit den Kindern oder was auch immer.

00:13:36: Oder gesundheitliche Situationen und die Leute sind einfach, sie können damit nicht umgehen.

00:13:41: Die sind unangenehm berührt, ist wirklich noch untertrieben.

00:13:47: zum Trauern, gehören auch Rituale.

00:13:51: Da finde ich auch ein bisschen Verbindung zwischen diesen beiden Büchern.

00:13:54: Auch darüber hat ein bisschen Daniel Schreiber geschrieben und sie auch.

00:13:58: Und sie haben geschrieben, wir haben keine andere Wahl, als uns unsere Trauerregeln selbst zu schreiben.

00:14:05: Und zum Beispiel der Vater von Daniel Schreiber, weil Daniel Schreiber verarbeitet seinen Buch, Tod Seines Vaters, hat sich entschieden, bewusst keinen Grab zu haben.

00:14:16: In diesem Fall ist das Graub ihres Sohnes temporär.

00:14:20: Wie ist das möglich?

00:14:22: Das war nicht so beabsichtigt.

00:14:25: Wir hätten natürlich gerne einen Graub gehabt, das für die Ewigkeit bleibt oder zumindest so lange, wie wir Lust darauf haben, sagen wir so.

00:14:32: Vielleicht ist es ja auch eines Tages nicht mehr so wichtig.

00:14:35: Also solche, soll ich sagen, irredischen Dinge bedeuten mir tatsächlich nicht so wahnsinnig viel.

00:14:40: Ich glaube nicht, dass dieses Grab irgendeine metaphysische Sinnhaftigkeit hat oder so.

00:14:46: Da verwest ein Körper.

00:14:48: Das ist bestimmt nicht mehr der Körper meines Sohnes, so wie er jetzt aussieht.

00:14:53: Aber tatsächlich hatten wir das nicht so klar.

00:14:55: Wir wollten uns das gerne ein bisschen offen lassen.

00:14:57: Uns hat allerdings niemand gesagt, dass diese Grabstelle nicht verlängerbar ist.

00:15:00: Also wir haben die ausgesucht.

00:15:02: Wir haben gesagt, okay, jetzt top hier soll die Beerdigung stattfinden.

00:15:05: dann war die Beerdigung.

00:15:07: Und dann am nächsten Tag, am nächsten Tag, jetzt machen wir Briefkasten auf und dann liegt eben dieser Vertrag vom Friedhof da.

00:15:14: Und da steht, ich weiß es nicht, ich glaube, zwanzig Jahre, zwanzig Jahre, nicht verlängerbar.

00:15:19: Und das war's.

00:15:19: Also jetzt ist er halt da beerdigt.

00:15:21: Und dann dachten wir, okay, was machen wir jetzt?

00:15:23: Holen wir ihn da jetzt wieder raus?

00:15:24: Irgendwie ein Tag später, oder was?

00:15:27: Aber das hätte sich so unglaublich würdelos angefühlt, dass wir es jetzt einfach dabei belassen haben und uns überlegen.

00:15:34: das haben wir gegeben.

00:15:35: Was, was auch immer.

00:15:36: Es soll eine Schule dort gebaut werden, eines fernen Tages.

00:15:41: Ich weiß nicht, welche Kinder auf dem, sozusagen auf dem Bein meines Sohnes spielen werden, ist auch eine schöne Idee irgendwie.

00:15:49: Aber irgendwie glaube ich da nicht so richtig.

00:15:50: Deswegen, ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass wir in zwanzig Jahren vielleicht auch noch länger können.

00:15:53: Dass es an Proteste geht und was auch

00:15:55: immer.

00:15:55: Wer will denn deine Schule hinbauen?

00:15:58: Noch zu den Ritualen.

00:16:00: Was wären das sonst für Rituale, wenn das übliche, also Friedrich vielleicht nicht so.

00:16:04: gut funktioniert.

00:16:05: Nicht für alle Mitglieder der Familie funktioniert das als Ritual?

00:16:08: Ja, sowieso.

00:16:09: Also ich bin tatsächlich immer alleine auf diesem Foto.

00:16:12: Keiner aus meiner Familie möchte mitgehen und ich halte das auch für total okay, wenn da nicht alle Bock drauf haben.

00:16:18: Wir haben alle unsere kleinen Erinnerungshilfen, sozusagen unsere privaten kleinen Rituale, die jeder von uns auf seine eigene Art und Weise macht und das halte ich für viel viel zielführender als jetzt die Kinder dahin.

00:16:33: zu zwingen oder meinen Ex-Mann dahin zu zwingen.

00:16:37: Was wir allerdings als gemeinsamer Situal und über die Jahre aufrecht erhalten haben, ist immer den achzehnten eines jeden Monats zu feiern.

00:16:46: Das ist nämlich, wir nennen es etwa, das letzte Abend.

00:16:48: So ist wie das letzte Abendmahl bei Jesus gewesen.

00:16:51: Bei uns war es eben das letzte Abendmahl mit unserem Sohn.

00:16:53: Da hatte er nämlich seinen Lieblingsgericht gekocht, Knuselhühnchen.

00:16:56: Er hat er selber hergestellt.

00:16:59: Also wenn ich an Zeichen glauben würde, dann würde... vieles von diesem letzten Abend als sein Zeichen deuten.

00:17:06: Ich glaube nicht an Zeichen, aber man mag es ja auch manchmal ein bisschen sichern, so was festzuralden und sich so zu denken, ah, hier, es hatte doch eine symbolische Kraft, das, bumm, bumm, bumm.

00:17:16: Irgendwie hat das so was Tröstliches manchmal.

00:17:18: Also jedenfalls er machte sein Lieblingsessen, Knospalhühnchen, alle Veganer, Vegetarier hier einfach weghören.

00:17:24: Das ist ein sehr kompliziertes Gericht mit vielen Panierverfahren, mit sehr viel Hühnerbrust.

00:17:32: Und das machen wir jeden achte Sinten.

00:17:34: Einfach da versammeln wir uns und obwohl wir schon lange kein Fleisch mehr essen, alle knüppeln wir uns am achte Sinten halt dieses Knusperhühnchen rein und trinken ne Fanta auf ihn.

00:17:44: Und das ist toll.

00:17:45: Also das ist einfach unser kleines privates Andenkritual.

00:17:48: Und was ich außerdem total gerne mag, als ich, wo ich total drauf stehe, ist die Sachen nicht ganz weggeräumt zu haben.

00:17:56: Also wir haben jetzt kein Kinderzimmer mehr von ihm.

00:17:59: Das ist jetzt alles schon von anderem.

00:18:01: Kinder bezogen worden, einen großen Ringtausch gemacht, aber überall sind Sachen.

00:18:06: Und es ist super schön, wenn du zur Garderobe gehst und deine Jacke rausnimmst und da hängt seine Jacke.

00:18:11: Es ist total schön, wenn du dir eine Müsli-Schale raus holst und da steht seine Schale.

00:18:16: Und es ist überall im Haus, gibt es irgendwas, eben über Fotos hinausgehendes.

00:18:21: Das ist irgendwie so kleine Erinnerungsanker und das macht mich ganz, ganz glücklich jedes Mal.

00:18:27: Wie lange ist es jetzt her?

00:18:28: Das sind jetzt vier Jahre.

00:18:30: Beweilt man nicht ständig, wenn man eben diese Tassen sieht?

00:18:33: Bei

00:18:33: den Tassen nicht so, aber es ist immer noch so, dass wenn ich jemandem sagen muss, mein Kind ist gestorben, sich dann anfangen zu weinen.

00:18:42: Damit höre ich irgendwie auch nicht so richtig auf.

00:18:44: Also wenn ich das zum ersten Mal jemandem sagen muss, wir begegnen uns jetzt und nicht sagen, aber der lehne ich mir dann freulich garantiert.

00:18:51: In dem Buch beschreiben Sie nicht nur die Geschichte an sich, sondern geben wir ein bisschen Ausblick.

00:18:58: Oder es ist eine Art Ratgeber, wie man mit dem Tod umgehen könnte.

00:19:04: Es ist kein Ratgeber, aber es ist eine Anregung.

00:19:06: Können wir das Anregung?

00:19:08: Wir einigen uns auf Anregung.

00:19:10: Es ist eine Anregung, sich mit dem Tod zu beschäftigen, weil ich selber festgestellt habe, was für eine wahnsinnige Lebensqualität man gewinnt.

00:19:21: wenn man sich nicht für unsterblich hält.

00:19:23: Ich meine, das ist natürlich ein super beliebter Topos von Literatur und Film.

00:19:27: Wir alle kennen diese Situation.

00:19:29: Irgendwer hat eine unheilbare Erkrankung und dann haut man auf den Putz und bringt sein Leben in Ordnung.

00:19:35: Oder fährt ans Meer natürlich, klaut ein Auto und fährt ans Meer.

00:19:39: Logisch.

00:19:40: Aber ich meine gar nicht diese Situation von irgendwelchen furchtbaren Diagnosen.

00:19:47: Nicht alle werden sie bekommen und glücklicherweise nicht.

00:19:50: alle werden sie bekommen.

00:19:51: Aber alleine diesen Gedanken zuzulassen und sich mit diesem Gedanken anzuwählen, ich werde nicht ewig leben, ich habe nicht ewig Zeit.

00:19:58: Das bringt unglaublich viel.

00:20:01: Und ich habe so viele Philosophen gelesen, leider waren es nur Männer, es ist irgendwie schrecklich, aber früher war das nun mal so.

00:20:08: So viele Philosophen gelesen, die sich mit diesem Thema wirklich Seiteantike bis heute befasst haben, dass das das ist etwas, das sich durchzieht durch die ganze Philosophiegeschichte.

00:20:19: Und es ist immer, immer, immer dieser Rat, Beschäftige dich mit dem Tod, du wirst ein besseres Leben davon haben.

00:20:25: Und

00:20:26: zu diesen Anregungen gehört zum Beispiel dieser Kapitel nicht alleine sterben, Vater, Mutter, Kind und Freund.

00:20:33: Und vielleicht ist es jetzt ein Punkt, wo sie aus dem Buch lesen können.

00:20:37: Okay.

00:20:37: Jawoll.

00:20:38: Einatmen, ausatmen, Klartext reden.

00:20:41: Nein, das geht leider nicht.

00:20:43: So oft ich Nein sagen in der letzten Zeit geübt habe, so schwer tue ich mich immer noch damit.

00:20:51: Ich will doch alles schaffen, überall dabei sein, immer mitmachen, kurze Stille am Anfang.

00:20:55: anderen Ende der Leitung.

00:20:56: Dann, oh, na gut, auch kein Problem.

00:20:58: War gar nicht schlimm, meiner Tante den Wochenendbesuch abzusagen, denke ich hinterher.

00:21:02: So ist es zu meiner eigenen Überraschung in den meisten Fällen.

00:21:05: Man nimmt es mir nicht übel, wenn ich nicht will, was die anderen wollen.

00:21:08: Wenn ich nach meiner Lesung lieber ins Hotelzimmer abhaue, statt mit der Freundin, die zufällig auch in der Stadt ist, noch was trinken zu gehen.

00:21:15: Oder wenn ich lieber mit meiner Tochter einen Netflix-Abend verbinge, statt mit meinem Freund ins Konzert zu gehen.

00:21:20: Für viele Menschen mag es normal sein zu sagen, was sie wollen und was nicht.

00:21:24: entgegen war es die längste Zeit meines Lebens gewöhnt, entweder Dinge zu tun, die ich nicht wollte oder Ausflüchte zu erfinden, deren wegen ich mich tagelang ärgerte.

00:21:33: Um jeden Preis wollte ich unangenehme Situationen vermeiden.

00:21:37: Auf der Strecke blieb dafür ich selbst oder die Ehrlichkeit.

00:21:39: Heute, mit neun und dreißig Jahren, habe ich genug von diesen Spielchen und möglicherweise auch nicht mehr so wahnsinnig viel Zeit für ihr.

00:21:46: Trotz all dieser Anpassungen, die Erwartungen und Bedürfnisse anderer, werde ich nicht einer dieser Sterbenden sein, die auf ihrem toten Welt alles Mögliche bedauern.

00:21:54: Gedanken mache ich mir über die Fragen, die Menschen an ihrem Lebensende umtreiben.

00:21:57: Dennoch.

00:21:58: Es ist schlimm, wenn dir klar wird, dass du gelebt hast und nun sterben musst.

00:22:01: Schreibt Roland Schulz in So Sterben wir, unser Ende und was wir darüber wissen sollen.

00:22:06: Schlimmer ist, wenn dir klar wird, dass du nicht gelebt hast und nun sterben musst.

00:22:10: Dann treibt es Dinge hervor, die du wohl verborgen wehntest.

00:22:12: Verdrängte Konflikte, zerbrochene Beziehungen, versäumte Gelegenheiten, gebrochene Versprechen, vergoldete Jahre.

00:22:18: Noch nie hat, wie wir wissen, irgendwer am Ende seines Lebens so reut, eine Zuflache.

00:22:23: Karriere hingelegt oder zu wenig Geld verdient zu haben.

00:22:26: Was Menschen sich aber offenbar mit großer Regelmäßigkeit fragen, habe ich mich mit meinen Liebsten ausgesöhnt.

00:22:31: Gibt es Ungesades?

00:22:32: Fatanes?

00:22:33: Wir können nun mal nicht anders.

00:22:34: Wir sozialen Tierchen und unsere Beziehungen sind uns das wichtigste auf der ganzen Welt.

00:22:39: Vielleicht ist auch deswegen die Vorstellung so beängstigend alleine oder sagen wir eher unbegleitet zu sterben.

00:22:45: Der Tod ist ein großer Unbekannter.

00:22:47: Was kommt, wenn unser Leben vorüber ist?

00:22:49: Kommt überhaupt irgendetwas?

00:22:51: Natürlich erfüllt uns das... mit Angst und Unbehagen.

00:22:54: Und natürlich wollen wir in diesem unheimlichen Prozess gehalten sein von Menschen, die wir lieben.

00:22:58: Eine warme Hand auf unserer Spüren, uns umsorgt fühlen und verstanden.

00:23:03: Sterben müssen wir dann aber trotzdem bei uns allein.

00:23:05: Es sei das einsamste Ereignis im Leben, schreibt Jallom.

00:23:09: Sterben trennt einen nicht nur von anderen, sondern setzt einen einer zweiten, noch viel furchterregenderen Form von Einsamkeit aus, Trennung von der Welt an sich.

00:23:18: Versuche diese Trennung zu überwinden, gibt es noch und nöcher in den verschiedensten Kulturen dieser Welt.

00:23:23: Seines selbstmordpackte Grabbeigaben in Form von lebenden Sklaven oder Ehefrauen.

00:23:28: Und selbst die Idee von einem Wiedersehen im Himmel oder der Auferstehung der Toten läuft auf das Gleiche hinaus.

00:23:34: Im Tod nicht völlig auf sich allein gestellt zu sein.

00:23:36: Da wir über ihn aber nur spekulieren können, halte ich es für ratsam, sich auf das zu konzentrieren, was wir überblicken können und gänzlich in der Hand haben.

00:23:44: Gute Beziehungen im Hier und Heute, die uns, wenn wir Glück haben, bis an unser Lebensende begleiten, wenn schon nicht darüber hinaus.

00:23:50: Und mich bedeutet das vor allen Dingen, Ehrlichkeit zu lernen.

00:23:53: Ich war es gewohnt, mich weg zu dung, auszuweichen, Konflikte zu vermeiden.

00:23:57: In meiner Herkunftsfamilie ist der Umgang eher knöchern.

00:24:01: Gefühle werden ungern behandelt.

00:24:02: Man spricht nicht über Dinge, die emotional schwierig sind oder es irgendwann mal waren.

00:24:08: Was gewesen ist, ist gewesen.

00:24:09: Menschen sind so, wie sie sind, und Punkt.

00:24:11: Als ich noch jünger war, habe ich dagegen aufgehört.

00:24:13: Habe Briefe geschrieben, tränenreiche, vorwurfsvolle Reden gehalten.

00:24:17: In den vergangenen Jahren bin ich ziemlich still geworden.

00:24:20: Vielleicht habe ich die Sprachlosigkeit auch einfach akzeptiert.

00:24:23: Es gehört schließlich zum Erwachsenwerden dazu zu begreifen, dass man andere Menschen nicht ändern kann.

00:24:28: Allerhöchstens nur sich selbst.

00:24:30: Also an die eigene Nase fassen, Levina.

00:24:32: Ich bin diejenige, die sich dazu entschieden hat, diese Familienkultur zu übernehmen.

00:24:36: Und das, wie geht es dir, gut Spiel mitzuspielen.

00:24:39: Meine eigenen Themen aus den Gesprächen mit der Verwandtschaft rauszuhalten.

00:24:43: Und vor allen Dingen die, die zwischen uns stehen.

00:24:45: Und an diesem Zustand muss ich dringend etwas ändern.

00:24:47: Denn ich spüre, wie unfrei ich bin.

00:24:49: im Kontakt mit meiner Familie.

00:24:51: Wie klein ich werde und wie wenig ich selbst, wenn ich jemanden von ihnen zu Besuch erwarte.

00:24:55: Und wie leicht diese Konditionierung auf alle anderen meiner Beziehungen umschränkt.

00:25:00: Manchmal fantasiere ich davon, wie ich meinen Eltern alles um die Ohren haue, bis sie an mir versammelt und verhauen haben.

00:25:05: Aber auch wenn ich es gerne würde und insgeheime auf die Situation warte, in der das möglich sein könnte, eine Situation, die natürlich niemals kommt, vielleicht muss ich mit ihnen nicht noch einmal durchgehen, was alles schiebelaubend ist.

00:25:18: als ich noch Kind und von ihnen abhängig und hilflos war.

00:25:21: Schließlich wissen wir das alle ganz genau.

00:25:23: Aber was ich dringend sollte, ist, wie bei das hier und heute Klartext reden.

00:25:27: Sagen, wenn mir etwas nicht gefällt oder mich ein Verhalten irritiert, aufhören, gefallen zu wollen.

00:25:32: So wie letztens, als ich wegen eines Familienkonflikts meinen Vater anrief, ich finde, was du machst, nicht richtig, sagte ich zu ihm.

00:25:39: Natürlich sei er das anders.

00:25:40: Denn wer als er selbst könnte schon im Recht sein.

00:25:43: Der Vaterfamilias war schließlich er.

00:25:45: Aber für mich war dieses Gespräch trotz des Objekts unbefriedigenden Ausgangswahn brichend.

00:25:51: Ich hatte ihm zum allerersten Mal seit Jahren offen meine Meinung gesagt, darum ging es.

00:25:55: Ich rede ganz schön viel über meine Eltern, finden Sie?

00:25:58: Es geht nicht anders.

00:25:59: Schließlich sind unsere Eltern die Menschen, die uns zeigen, wie Bindung funktioniert.

00:26:03: Egal mit wem wir unser Leben teilen, geliebte Kinder, Weggefährten, Haustiere, was uns in diesen Beziehungen umtreibt, haben uns unsere Eltern oder eben die Bezugspersonen, mit denen wir aufgewachsen sind, mitgegeben.

00:26:15: Meine Angst jemanden vor den Kopf zu... zu stoßen und in der Konsequenz nicht mehr geliebt zu werden, schwappt in meine Rolle als Partnerin und Mutter genauso hinein wie in die als Freundin.

00:26:24: Auch hier übe ich, mich nicht zu verstecken, ehrlich zu sein, zu mir selbst zu stehen.

00:26:29: Schließlich ist Selbstlimitierung im Angesicht des Todes das Letzte, was man wollen kann.

00:26:33: So wie der Vater eines Freundes sich auf seinem Sterbebett plötzlich über die Berufswahl seines Dones eh chauffierte.

00:26:39: Zeitlebens hatte er sich offensichtlich nicht erlaubt, seine Meinung darüber kunst zu tun.

00:26:43: Nun aber brach sie aus ihm heraus, wir lachen noch heute darüber, wie gut es es raus war, auch wenn es so lange gebraucht hatte.

00:26:50: Vielleicht fällt es Menschen, denen die Endlichkeit des Lebens besonders bewusst ist, grundsätzlich leichter als anderen zu ihrer Meinung zu stehen.

00:26:57: Vielleicht wird dieses Verhalten von anderen sogar eher akzertiert.

00:27:00: Wenn ich mit meiner Beobachtung recht haben sollte, dann finde ich das schrecklich bedauerlich.

00:27:05: Es soll ja Menschen geben, die finden, ein Zusammenleben mit anderen sei ohne Notlügen und kleine Unehrlichkeiten nicht auszuhalten.

00:27:12: Zu viele Verletzungen, zu viele Probleme.

00:27:14: Ich glaube, es ist genau anders herum.

00:27:16: Schauen Sie sich nur irgendein x-williebiges Theaterstück oder ein Drama im Fernsehen an.

00:27:21: Meine Dwegen sogar eine Komödie.

00:27:23: Sie werden feststellen, dass nahezu jeder Konflikt, dem die Protagonistinnen und Protagonisten ausgesetzt sind, aus irgendeiner Art von Unehrlichkeit entsteht.

00:27:31: Egal ob anderen gegenüber oder nur sich selbst.

00:27:34: Und im echten Leben ist das nicht anders.

00:27:36: Indem wir uns zeigen, wie wir sind, lassen wir nicht nur viele zwischenmenschliche Probleme gar nicht erst aufkommen, sondern bekommen überhaupt erst die Chance auf eine Tiefe.

00:27:44: authentische Beziehung zu unserem Gegenüber.

00:27:47: Ehrlich zu sein, bedeutet nicht gleichzeitig in Rücksichtslosigkeit zu verfallen und nur noch an sich selbst zu denken.

00:27:53: Im Gegenteil, je mehr wir uns erlauben, wir selbst zu sein, desto leichter fällt es uns anderen, das Gleiche zuzugestehen.

00:27:59: Wir können lieben, ohne unsere Zuneigung an Erwartungen zu knüpfen und endlich zulassen, für das geliebt zu werden, was wir sind.

00:28:06: Wenn wir so leben, haben wir am Ende wenig zu bereuen und wenig, was uns noch auf der Seele liegt.

00:28:11: Meine Kinder und mein Freund wissen, wie sehr ich sie liebe.

00:28:13: weil ich es Ihnen sage, so oft es geht, weil ich Ihnen zuhöre und auf Ihre Bedürfnisse achtgebe, weil ich für Sie da bin, wenn Sie es brauchen.

00:28:20: Und genauso wissen Sie, wie sehr mir meine Fehler leidtun, weil ich mich für Sie entschuldige.

00:28:24: Manche werden meinen Kindern und mir vielleicht erst auffallen, wenn sie älter sind oder gar erwachsen.

00:28:29: Und dann werden wir darüber reden müssen.

00:28:31: Es kommt in unseren nahen Beziehungen nicht darauf an, alles perfekt zu machen.

00:28:35: Das können wir auch nicht, so vor uns, wie wir alle sind.

00:28:38: Es kommt darauf an, sich und die eigenen Gefühle ehrlich mitzuteilen und ebenso bereit zu sein, oder der anderen zuzuhören.

00:28:45: Vielleicht werden wir damit nicht immer in offene Arme laufen, dann haben wir immerhin eine Grundlage, auf der wir über die jeweilige Beziehung nachdenken können.

00:28:52: und übrigens an alle, die es noch nicht wussten.

00:28:55: Nicht jede Verbindung muss aufrechterhalten werden, egal wie viel genetisches Material im Spiel ist.

00:29:00: Vielleicht aber wird unser Gegenüber auch erleichtert sein, weil es endlich mal die Chance bekommt, ein Thema auf den Tisch zu hauen, das im Untergrund schielte.

00:29:08: In jedem Fall aber staut sich auf diese Weise gar nicht erst irgendetwas an, das eines fernen Tages, womöglich auf dem Sterbebett geklärt werden müsste.

00:29:16: Und falls die Sache mit den offenen Rechnungen bereits überhand genommen haben sollte, lassen sie sich.

00:29:28: Ich habe meinen Eltern vergeben, dass sie so waren, wie sie waren.

00:29:39: Der Freundin, die heimlich meinen Freund geküsst hat.

00:29:42: Ich habe sogar dem Typ vergeben, der mich vergewaltigt hat, als ich fünfzehn war.

00:29:46: Dafür braucht es keine Entschuldigung, keine Einsicht, keine Reue auf der anderen Seite.

00:29:50: Wir müssen die Person, die uns Schmerz zugefügt hat, nicht mögen.

00:29:53: Wir müssen noch nicht einmal mit ihr etwas zu tun haben wollen.

00:29:56: Es braucht nur uns selbst und die Entscheidung, nicht in Gold zu verharren, sondern uns all dem Guten zuzuwenden, dass das Leben für uns bereithält.

00:30:03: Wenn auf eines können wir uns alle sicher einigen, dass wir es schon zu Lebzeiten mit den Menschen, die uns umgeben, gut haben wollen.

00:30:10: Und nicht erst, wenn das alles hier fast vorbei ist.

00:30:12: Danke schön.

00:30:18: Sie dürfen gleich auch Fragen stellen.

00:30:21: Ich möchte noch zu diesem Kapitel.

00:30:22: Da gibt es wahnsinnig viele Sachen, über die man gerne sprechen könnte.

00:30:27: Aber das Erste vielleicht, dass man angesichts des Todes oder der Gedanken, sich mit sich ehrlich sein sollte.

00:30:36: Also nicht mehr unbedingt gefallen wollen, sondern das tun, was man, was Frau will.

00:30:41: Da musste ich auch daran denken, wir hatten auch ein Gespräch mit Sophie Fritz.

00:30:45: Ah, Sophie

00:30:46: Fritz?

00:30:46: Na klar, ja.

00:30:50: und da ging es auch unter anderem viel darum und da habe ich mir gedacht auch, ob diese Kapitelwände von einem Mann geschrieben wäre oder wirklich auch so ein Kapitel entstanden wäre.

00:31:00: Ob das doch nicht eine Frau?

00:31:03: Geschichte ist.

00:31:04: Ich glaube Frauen ist das einfach bewusster, ehrlich gesagt.

00:31:08: Männer machen das Ganze ja auch nur auf eine andere Art und Weise.

00:31:11: Männer sind vielleicht eher noch diejenigen, die mehr lügen oder sowas, die sich in Halbfahrheiten verlieren, die vielleicht Sachen auch nicht aussprechen.

00:31:20: Also Männer, ich kenne viele Männer, die ganz hervorragende Taktiken haben, um Konflikten aus dem Weg zu gehen.

00:31:26: Manchmal explodieren die Konflikte dann noch viel mehr, weil sie die Leute damit auf die Palme.

00:31:33: aber tatsächlich dieses, ich will jetzt hier nicht unangenehm auffallen, ich möchte jetzt niemanden zur Last fallen.

00:31:40: Das ist ganz bestimmt eine superweibliche Denke.

00:31:45: Aber ich glaube, das ist das gleiche Problem, nur mit unterschiedlichen Wordings sozusagen.

00:31:52: Also, dass ein Mann niemanden zur Last fallen will, glaube ich eher nicht.

00:31:56: Oder unangenehm auffallen, also sicher kannst du auch Ausnahmen geben, aber wir sprechen jetzt hier in Tendenz.

00:32:03: Aber diese Angst irgendwie nicht zu bestehen oder letzten Endes irgendwas zu tun und dann die Zuneigung, die Liebe zu verlieren.

00:32:14: Letzten Endes läuft ja alles auf Liebe hinaus.

00:32:16: Wenn mich hier heute Abend alle hassen, dann ich habe zwar keine persönliche Beziehung zu irgendwem, aber ich will dann auch geliebt werden.

00:32:26: Und ja, davor haben wir alle irgendwie Angst.

00:32:29: Wir werden auch so erzogen.

00:32:30: genau, wie wir uns verhalten müssen, wie wir sein müssen, schon als Kind zu unseren Eltern, zu unseren Lehrern, zu wem auch immer, damit wir eine möglichst positive Resonanz bekommen.

00:32:44: Und das heißt meistens in den allermeisten Fällen, die eigenen Bedürfnisse oder die eigene Expressionen irgendwie zurückstellen.

00:32:51: Zurückstellen oder dann nicht mehr selber zu wissen eigentlich.

00:32:54: Genau, und irgendwann merkt man es einfach gar nicht mehr.

00:32:57: Und trauern, Männer und Frauen unterschiedlich.

00:33:00: Kann man auch so, wir sprechen in Tendenzen, kann man diese Tendenzen ein bisschen erkennen oder?

00:33:05: Ist doch sehr individuell.

00:33:07: Na ja, wahrscheinlich spreche ich doch ein bisschen in Plattitüden, wenn ich sage, dass Männer tendenziell nicht reden und das mit sich selber ausmachen und Frauen diejenigen sind, die mehr Austausch rauchen.

00:33:18: Also das habe ich in meiner eigenen Familie so beobachtet.

00:33:22: Ich bin diejenige, die dann immer wieder sich erinnern will und immer wieder irgendwas erzählen will.

00:33:28: Und weil das Vater ist das jetzt nicht so wahnsinnig ausgeprägt.

00:33:33: Und auch um uns herum, die Personen, die jemanden verloren haben, da war die Tendenz eigentlich auch so.

00:33:38: Aber das ist so, irgendwie will ich jetzt auch niemanden in irgendeine Ecke stellen.

00:33:44: Und Kinder.

00:33:44: Kinder, die machen es irgendwie auf eine tolle Art und Weise, wenn man sie lässt.

00:33:50: Ich weiß nicht, was mit Kindern passiert.

00:33:52: Da kenne ich gerade jetzt aus meiner Elterngeneration ganz unangenehme Beispiele, wo dann, wenn jemand gestorben ist, man nicht mehr über die Person geredet hat zum Beispiel.

00:34:02: Das hat dann die Oma ganz traurig gemacht, wenn man über den Opa geschocken hat.

00:34:06: Und dann hat man es einfach nicht mehr getan.

00:34:09: Oder die Sachen durften dann irgendwie nicht angefasst werden.

00:34:12: Dann bleibt das Zimmer so, wie es noch vor fünfzig Jahren war und keiner darf da reingehen oder so.

00:34:18: Also es gibt schon so glaube ich komische Signale an Kinder.

00:34:23: Aber wenn man diese komischen Signale an Kinder nicht sendet, sondern sie einfach mitnimmt in dieses Thema auf diese Reise von hier.

00:34:31: ist jetzt jemand gestorben und wie gehen wir damit alle zusammen oben?

00:34:35: Dann finden die ganz automatisch ihre eigene, ja, also so ein Gespür für wie viel Nähe und wie viel Distanz rauchen die denn jetzt eigentlich zu diesem Mensch und zu dieser Situation?

00:34:46: Das sind ja also... Kinder sind ja wie kleine Tierchen, die das so instinkt würden.

00:34:51: Die spüren eigentlich sehr, sehr gut.

00:34:54: Will ich jetzt hier eigentlich sein, wenn jemand weint?

00:34:56: Will ich darüber reden?

00:34:59: Die haben oft auch einen ganz, ganz anderen Zugang als hier.

00:35:02: Wein vielleicht nicht so viel, aber träumen dafür mehr oder so.

00:35:07: Ich glaube, man muss die einfach lassen und denen das Gefühl geben, das ist total okay.

00:35:10: Und wenn du nie wieder an diese Person denkst, ist auch in Ordnung.

00:35:13: Jetzt ist ihre Zeit für die Fragen und es kommt sogar ein Mikro.

00:35:16: Das

00:35:17: klingt immer so bedrohlich.

00:35:18: Und jetzt kommt der Mann mit dem Mikro.

00:35:20: Ich habe vorher schon vorgewandt.

00:35:21: Ich bin mir sicher, es kommt eine Frage.

00:35:23: Es dauert noch ein Weilchen.

00:35:24: Wir haben ja Zeit.

00:35:25: Außerdem habe ich sehr großen Durst.

00:35:27: Und wer pünktlich weg muss, geht einfach.

00:35:31: Ja,

00:35:31: wenn nicht.

00:35:32: Ich habe natürlich noch ein paar Fragen.

00:35:34: Ich glaube das auch nicht, dass hier niemand eine Frage hört.

00:35:37: Man muss mal einfach ein bisschen warten.

00:35:38: Das ist wirklich immer so.

00:35:41: Ich habe wirklich keine Frage im Moment.

00:35:44: Aber danke, dass Sie es trotzdem versuchen.

00:35:47: Aber ich bin jetzt auch mal so die... Ich fühle einfach nur so einen ganz großen Raum in mir.

00:35:52: Achtung, Respekt, Gefühl, Liebe, Herz und Dankigkeit.

00:35:56: Oh, das ist so schön.

00:35:56: Vielen Dank.

00:35:58: Danke.

00:36:01: Ich habe wirklich auch

00:36:01: keine Frage.

00:36:02: Aber was

00:36:03: ist denn heute los?

00:36:04: Nein, ich finde nicht, dass das ein schlechtes Zeichen ist.

00:36:07: Ich habe ihr Buch nicht gelesen und ich habe ihr das Bedürnungsdienste noch gewohnt.

00:36:11: Einfach noch mal mit einem ganz anderen Aspekt.

00:36:13: Ja, total gerne.

00:36:14: Wir haben eigentlich noch eine Lesestelle, ne?

00:36:16: Eine ganz kleine... Was ist denn?

00:36:19: Ach, hier unten.

00:36:20: Eine ganz kleine und zwar habe ich mich ja dem Thema Vergänglichkeit versucht von ganz, ganz vielen Zeiten zu nähern.

00:36:27: und dann gehört zum... Thema Tod und und loslassen auch für mich tatsächlich das Thema Altern.

00:36:36: Denn das ist ja etwas, was uns einfach sehr, sehr eindeutige Signale sendet.

00:36:41: Von hier geht irgendetwas dem Ende entgegen.

00:36:44: Und ich weiß natürlich, dass man mit neun und dreißig oder vierzig, wie ich jetzt geworden bin, noch gar nicht so sehr, also ganz andere Geschichten dazu erzählen kann, als wenn man achtzig wäre.

00:36:57: Aber tatsächlich, ich spüre auch jetzt schon dass es losgeht.

00:37:00: Und gerade als Frau in unserer Gesellschaft ist man damit ja auch einfach ständig konfrontiert, dass man älter wird und was man alles für Produkte jetzt braucht und wie man möglichst geschmeidig bleibt und so weiter.

00:37:15: Also dachte ich, dazu sollte ich auch was schreiben.

00:37:18: Und hier kommt das.

00:37:18: Das ist ein kleiner Abschnitt aus dem Kapitel.

00:37:21: Wie heißt es?

00:37:22: Die Young Stay Pretty.

00:37:24: Das war mein Lieblingssong von Blondie, als ich sechzehn war.

00:37:27: Das war noch so eine romantische Vorstellung von, okay, und wenn mich jetzt ein Autounfall holt, dann ist meine Schönheit für immer konserviert.

00:37:36: Na ja, eigentlich nicht, aber ihr wisst, wie ich es meine.

00:37:40: Das ist nicht das ganze Kapitel, aber ein kleines Stückchen.

00:37:45: Und was könnte außer der andauernden Geschäftlichkeit, die Pascal den Menschen als perfektes Abdenkungsmanöver auslegt, besser dazu dienen, den Tod zu verdrängen, als ihn und seine Vorboten aus unserem Sichtfeld zu verbannen?

00:38:05: Bleiben wir für immer jung und unversehrt, dann werden wir ja wohl auch niemals sterben.

00:38:10: Alter, da kein Tod.

00:38:11: Und als nichts Geringeres ist doch unser Bestreben zu betrachten, jegliche Zeichen von Verfall von unseren Gesichtern, Bäuchen, Hinterteilen, fernzuhalten.

00:38:20: Alte, Sieche, Todgeweite erschrecken uns.

00:38:23: Gerade in einer Gesellschaft, in der Tod weniger als Gewissheit, sondern als Folge schlechter Lebensentscheidungen gilt, schreit Roland Schulz, einer Gesellschaft, die jung oder alt kaum mehr als körperliche Zustände, sondern als Geisteshaltung begreift.

00:38:40: Wenn wir so weitermachen, pinkeln wir mit zwanzig bald wieder in Windeln.

00:38:43: Allein schon das Wort alt ist praktisch eine Beleidigung geworden.

00:38:47: Konstatieren Thomas Hohensee und Renate Georgi.

00:38:49: Der wird lieber ausweichend von Elta, Senioren, Silver-Ager hochbetagt und ähnlichem gesprochen, damit sich niemand auf den Schlips getreten oder vom kalten Hauch des Todes angeweht fühlt.

00:38:59: Bloß nicht daran denken, bloß nicht daran rühren.

00:39:02: Jede Falte ist eine Erinnerung an das Unsägliche.

00:39:05: Hier kommt keiner Leben draus.

00:39:06: Wie jedes Lebewesen auf die ... dieser Erde kämpfen wir erbittert, denn wir plötzlich sterben sollen.

00:39:11: Und selbst wenn unsere Zeit schon lange abgelaufen ist, dringen manche von uns noch mit dem Ende.

00:39:16: Unser Streben nach Jugend ist selbst Erhaltungstrieb und somit höchst natürlich, auch wenn er in Extremform praktiziert, auf jegliche Natürlichkeit vermissen lässt.

00:39:25: Den Frauen, die ich auf Instagram und in den Restaurants beobachte, bis dort anzusehen, irgendetwas stimmt hier nicht.

00:39:31: Ah, diesen Part haben wir besprungen.

00:39:33: Anfangs beschreibe ich, wie ich immer wieder mit Frauen konfrontiert bin, vor allen Dingen in den sozialen Medien, aber manchmal auch in der realen Welt, die so perfekt durchoperiert sind.

00:39:43: Den man trotz ihres schon auch fortgeschrittenen Alters überhaupt nicht ansieht, dass da eigentlich irgendetwas hängen müsste oder so, sondern da hängt einfach nichts.

00:39:53: Sie sind einfach glattzohrt.

00:39:56: Bis bis umhin.

00:39:58: Also, den Frauen, die ich auf Instagram und in den Restaurants beobachte, ist sofort anzusehen, irgendetwas stimmt hier nicht.

00:40:05: Lippen würden so nicht wachsen, Brüsten würden so nicht stehen, Haut wäre nie im Leben derart straff.

00:40:10: Und auch Männern bleiben längst nicht nur lästige Sneaker, schnittige Karren und geliebte die ihre Töchter sein könnten, um sich den Gedanken an den eigenen Verfall vom Leib zu halten.

00:40:19: Auch sie gönnen sich inzwischen Botox-Verhandlungen, Facelifts, Haarthöhnungen und trainieren gegen ihren Deadwood an.

00:40:25: Die Jungen sein wollen alle Geschlechter.

00:40:27: Und doch möchte ich eine kleine Unterscheidung einwerfen.

00:40:30: Frauen trifft es in einer patriarchalen Gesellschaft besonders hart.

00:40:33: Die Forschung legt es leider offen.

00:40:35: Ein jung wirkender Körper simuliert Fruchtbarkeit und wird von Männern aller Altersklassen als deutlich begehrenzwärter wahrgenommen.

00:40:42: Andererseits ist es so wichtig, immer zu und jederzeit von so vielen Männern wie möglich begehrt zu werden, so oder so.

00:40:49: Kosmetisch-chirurgische Eingriffe nehmen mit jedem Jahr zu, auch in den jüngeren Altersgruppen.

00:40:54: Als ich noch Teenager war, war alles, was wir tun konnten, uns auf Modelmaße runter zu hungern.

00:40:59: Heute sind Arschimplantate und Wangenfettentfernung eine durchaus realistische Option.

00:41:04: Vorausgesetzt, wir verfügen über das nötige Kleingeld.

00:41:07: Das Buch ist jetzt ein Jahr alt, also ist es nicht ein Jahr alt, aber ich habe es vor einem Jahr geschrieben.

00:41:11: Und inzwischen gab es da mal... noch nicht so flächendeckend, lassen sich zwanzigjährige Präventiv-Botox-Schritzen, dass jetzt irgendwie ganz groß Baby-Botox also noch bevor, vor irgendwelche Falten entstanden sind.

00:41:23: Es geht rasant.

00:41:24: Verstehen Sie mich nicht falsch, es ist großartig, die Möglichkeit zu haben, den eigenen Körper nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten.

00:41:31: Nicht alles an ihm ertragen zu müssen, was wir nicht ertragen wollen.

00:41:35: Was für ein Geschenk, dass wir weder so aussehen noch so leben müssen wie unsere Großmütter.

00:41:39: Sicher sind auch Ihnen schon Memes begegnet, in denen fünfzigjährige Fernsehstars von heute mit fünfzigjährigen Fernsehstars vor dreißig Jahren verglichen werden.

00:41:48: Die einen straff und heißt, als kämen Sie gerade von einem Porno-Dreh, die anderen alt und grau als ihre Sorgenstricken, ihr letztes noch verbliebenes Hobby.

00:41:55: Auch wenn das natürlich heillos übertrieben ist, ist es nicht abzustreiten.

00:41:58: Die älteren Generationen von heute sind gesünder, vitaler und insgesamt fresher als ihre Vorgängerinnen und Vorgänger.

00:42:05: Sie tragen Jeans mit Franzen dran, tanzen Salzer und fliegen nach Afrika auf Safari, wie die beiden Seniorinnen, die sich mit mir vorhin das Viererteil im Zug geteilt haben.

00:42:14: Es war geradezu beängstigend, mit welcher Begeisterung sie sich über den WhatsApp-Status ihrer sich gerade am Gardasee befindlichen, nicht als einen bikini tragenden Freundin hermachten.

00:42:23: Ihre Haare waren besser gefärbt als meine.

00:42:25: Ihr Make-up, perfekt.

00:42:26: Wem wollte man solch ein schönes Leben schon bisgönnen?

00:42:29: Doch das wahre Problem ist nicht das Waren von Jugendlichkeit, es ist die Angst vor dem Alter.

00:42:34: Die Beauty-Branche ist dafür berüchtigt, angebliche Problemzonen selbst zu erschaffen und dann die Lösung dafür zu verkaufen.

00:42:40: Was wir nicht alles antiegelchen und typchen und Prozeduren brauchen, um jung, straff und schön zu bleiben, dass so jung, straff und schön wie die photogeschoppten Models, wie diese Produkte präsentieren, werden wir nie... egal wie sehr wir uns anstrengen und wie viel wir bezahlen.

00:42:54: Es ist eine Unarteskapitalismus, den Menschen in ewiger Unzufriedenheit zu halten.

00:42:58: Denn maximale Unzufriedenheit spricht den maximalen Profit.

00:43:02: Und mit der Angst vor dem Tod kann man erst so richtig Asche machen.

00:43:05: Für das Jahr twenty-twoundzwanzig wurde der weltweite Anti-Aging-Markt auf sechzig Milliarden US-Dollar geschätzt.

00:43:12: Bis zwei tausendzeihunddreißig, also innerhalb von zehn Jahren, soll sich die Summe in etwa verdoppelt haben.

00:43:16: Es ist verrückt.

00:43:17: Wir alle wollen möglichst alt werden.

00:43:20: Aber um nichts in der Welt wollen wir so aussehen.

00:43:22: Danke schön.

00:43:26: Das ist so lieb, wie Sie immer so nach meinem Dankeschön ganz artig klatschen.

00:43:31: Ich mag das sehr.

00:43:34: Ja, es ist mir auch aufgefallen, dass tatsächlich alt zu werden ist peinlich.

00:43:40: Man versucht das irgendwie nicht

00:43:41: ohne... So ein persönliches Versagen irgendwie.

00:43:43: Ja,

00:43:44: genau, genau.

00:43:45: Also ich werde.

00:43:45: jetzt sage ich es laut.

00:43:46: Ich werde in zwei Monaten sechzig.

00:43:48: Und es kostet mich eine Wahnsinnsüberwindung,

00:43:51: das laut

00:43:52: zu sagen.

00:43:52: Da habe ich mir gedacht,

00:43:53: als ich da

00:43:54: die Fragen vorbereitet habe, dann sagt sich, okay, wenn es die Gelenkheit

00:43:57: gibt,

00:43:58: ich oute mich.

00:43:59: Herzlichen Glückwunsch.

00:44:02: Zum Outing.

00:44:04: Ja.

00:44:06: falls keine Fragen gekommen sind in der Zwischenzeit.

00:44:10: In einem Buch schreiben Sie auch zum Beispiel, was will ich hinterlassen?

00:44:16: Das letzte Hemd, was will ich hinterlassen?

00:44:18: Und dann beschreiben Sie die Sachen, über die man nachdenken könnte vom Testament oder Vorsorge, Vollmacht, Patientenverfügung angefangen, aber auch viele anderen Sachen.

00:44:28: Gibt es Entscheidungen, Entscheidungen, die Sie getroffen haben wegen diesen Überlegungen?

00:44:34: Also nicht nur Überlegungen, was man machen könnte, sondern tatsächlich... beruflich was neues oder privat?

00:44:42: was neues also komplett was umgeworfen weil wir sterben?

00:44:46: keine zeit für bullshit.

00:44:47: jetzt mache ich's ernst.

00:44:49: ich auch so eine so eine tricky frage weil ich nämlich sagen würde wenn man mich von außen betrachtet dann so ne guck wie ist mein leben heute?

00:44:58: wie ist mein leben damals?

00:45:00: ich mache noch den selben bruf ich wohne in derselben wohnung ich habe ich habe ein kind weniger aber so eine meine entscheidung.

00:45:08: ich lebe immer noch mit mit meinen Ex-Manns zusammen.

00:45:10: Das ist keine freiwillige Entscheidung.

00:45:12: Der Wohnungsmarkt gibt nichts her.

00:45:15: Aber wir leben immer noch zusammen und sind uns auch ganz grün.

00:45:18: Es hat sich gar nicht so vieles geändert.

00:45:20: Ich schreibe immer noch Bücher, sitze immer noch auf Bühnen.

00:45:22: Das funktioniert alles.

00:45:24: Aber ich würde sagen, wer mich von innen sehen würde.

00:45:27: Das ist ein ganz anderer Kosmos inzwischen.

00:45:30: Einfach, weil solche Dinge einen umkrempeln und dann kriegt man sich nicht mehr zurückgekrempelt.

00:45:36: Viele Dinge sind völlig anders geworden.

00:45:39: Also ich lebe sehr viel langsamer.

00:45:41: Das ist zum einen durch meine Krankheit bedingt.

00:45:44: Dass ich eben auf Stress und geilen Scheiß wie Alkohol, Koffeinen und so weiter versuche zu verzichten.

00:45:52: So ich mute mir nicht mehr ganz so viel zu.

00:45:55: Ich nehme ja auch wirklich sehr viel Zeit für meine Begegnungen.

00:45:59: Ich habe sehr abgeschweckt, was mein Freundes- und Bekanntenkreis angeht.

00:46:05: Das hat sich schon verändert, dass ich mehr... Es gibt Leute, die tun mir jetzt nicht so wahnsinnig gut.

00:46:10: Und wiederum andere, von denen ich früher nie gedacht hätte, dass die mir so ans Herz wachsen würden, sind jetzt dazu gekommen.

00:46:16: Also, wenn ich das so runterbrechen könnte, dann würde ich sagen, dass man so ... mit so einschneidenden Erfahrungen.

00:46:24: Das müssen gar nicht so Todeserlebnisse sein oder so schlimme Diagnosen.

00:46:30: Das kann ja auch nicht eine Trennung sein oder eine andere Krise, psychische Erkrankungen oder was auch immer.

00:46:37: Dass die schon, wenn die so was Aufrüttelendes haben, einen Nähr zu sich selber bringen und man dann merkt, das will ich, das will ich nicht.

00:46:44: Das tut mir gut und das nicht.

00:46:47: Und ich kann wirklich alle nur dazu ermutigen, dann auch die... den nötigen Schritte zu gehen und sich selber zu glauben.

00:46:55: Ich glaube, näher als in solchen Situationen kommen wir uns eigentlich gar nicht.

00:46:59: Wenn es uns gut geht und alles läuft, dann haben wir ja auch oft gar keinen Grund, uns zu bewegen oder zu gucken, wie könnte es eigentlich noch besser sein.

00:47:07: Ich habe sogar zwei Fragen.

00:47:09: Wow.

00:47:13: Das ist ja dann jetzt trotzdem schon ein paar Jahre her, dass dein Sohn gestorben ist und du deine Diagnose bekommen hast.

00:47:18: Hast du so nach vier Jahren mal wieder so, dass dir auffällt, dass das wieder so ein bisschen in Vergessenheit gerät und man doch wieder so in so, ich lebe jetzt mal so vor sich hingeht.

00:47:26: Also das wäre die erste Frage.

00:47:27: und die zweite wäre, ich kenne das so, wenn Montag schon auf der Arbeit ätzend ist und ich weiß die ganze Woche bleibt, so dann denke ich manchmal, Alter, jetzt diese Woche verbrenne ich so die ganze Woche mal.

00:47:36: wenn ich keine Lebenszeiten zeug, will ich keinen Bock drauf haben.

00:47:39: Aber dann denke ich, so weit denke ich schon, aber dann denke ich mir, ja gut, ist jetzt hier eine Woche, die kriegste auch rum.

00:47:44: Dann schiebe ich das so ein bisschen weg, merkst du bei dir, da du da näher dran bist als ich, dass dir das in so einer Situation schwerer fällt, da drin zu bleiben, als vielleicht früher.

00:47:54: Okay, jetzt muss ich mich sammeln.

00:47:55: Muss ich ganz kurz zurückkommen zu der ersten Frage.

00:47:57: Ob das jetzt in Hintergrund rückt?

00:47:59: Ich hab das Gefühl, ehrlich gesagt, das ist mehr in Vordergrund rückt.

00:48:02: Aber auf eine ruhiger Art und Weise, also so am Anfang ... ist die Trauer jarasend.

00:48:08: Und ich weiß auch noch, dass ich schon das Bedürfnis hatte, auch, weil dieser Trauer irgendwie wegzulaufen, phasenweise.

00:48:14: Also, dass ich dann eine Pause von brauchte und dann viel feiern gegangen bin, irgendwie mich mit Freunden getroffen habe, auch viel getrunken habe.

00:48:25: Also, einfach weil ich mal mal an was anderes und irgendwie mal wieder so ein bisschen Leben schüren wollte.

00:48:32: So, das war, ich würde sagen, ein erstes... In ein, zwei Jahren gab es so diese zwei Pole von rasender Trauer und diesen so ein bisschen sich daraus stehlen.

00:48:41: Auch auf eine Weise rasend vielleicht.

00:48:43: Und jetzt ist es so, dass ich diese Flüchte nicht mehr brauche und dass sehr viel ruhiger mir angucken kann, aber es dadurch auch präsenter ist.

00:48:52: Also es ist einfach wie so eine durch einfach immer da.

00:48:56: Und es ist manchmal stärker und es ist manchmal schwächer, aber so wie ich das mitbekommen habe von Menschen, die das schon ein paar Jahre länger machen, als ich.

00:49:04: Ist das auch etwas, das nicht vergehen wird?

00:49:06: Also klar ist man halt irgendwann in der Lage, wieder ein normales Leben zu führen, aber das begleitet einen wirklich immer.

00:49:11: Ich meine auch ein bisschen einfach, dass dieses Bewusstsein da bleibt, dass das Leben endlich ist.

00:49:15: Ach so, das meinst du.

00:49:16: Ja, das spüre ich... Das spür ich sehr.

00:49:21: Ja, ich glaube aber auch, dass mir meine Erkrankung dabei hilft, weil ich tatsächlich auch physische Einschränkungen habe, die das mit sich bringt.

00:49:29: Also, alleine, wenn du da immer stets in den Tabletten einnimmst, ohne die du nicht leben kannst, dann ist das schon immer sehr, sehr deutlich.

00:49:36: Oder wenn du da mal irgendwie die vergiss oder so.

00:49:39: Dann, genau.

00:49:40: Und ich weiß ja, ich komme auch irgendwie keine Treppe so richtig gut hoch und so.

00:49:44: Also, das ist schon so, okay, rennst du jetzt diesen Bus nach und stirbst oder nimmst du den?

00:49:50: Das klingt immer so ein bisschen ... Also manchmal hab ich das zu erzählen und denke, ich bin vierzig und erzähl, dass ich keinen Bus nachhennen kann wie so eine alte Oma.

00:49:59: Aber es ist eigentlich gar nicht so schlimm.

00:50:01: Nicht gegen

00:50:02: alte Oma.

00:50:03: Nein, aber das ist ja etwas, das man eher mit einer alten Oma assoziieren würde als mit einer jungen Oma.

00:50:13: Es passiert einfach irgendwann.

00:50:14: Also jedenfalls, ich hab mir das so mit achtzig vorgestellt und nicht vierzig Jahre früher.

00:50:19: Aber es ist gar nicht so schlimm.

00:50:20: Das ist, wie gesagt, einfach manchmal eine schöne Erinnerung von, okay, du hast nicht tausend Jahre Zeit, jetzt mach mal lieber schnell.

00:50:26: Und ich habe ein bisschen Glück, um jetzt mal auf die zweite Frage zurückzukommen, mit dem jetzt mal die doofe Woche rumbringen und so weiter oder das doofe halbe Jahr oder was auch immer, so was kann sich ja manchmal auch ein bisschen ausdehnen.

00:50:40: Das gibt es natürlich auch bei mir, dass ich mich in Situationen wieder finde, wo ich denke, scheiße, jetzt musst du einfach nur durchhalten.

00:50:49: Und danach die Sintflut.

00:50:51: Aber da bin ich inzwischen tatsächlich sehr, sehr viel pickier geworden.

00:50:56: Und wie gesagt, ich habe das groß zu glück, dass ich einen sehr, sehr schönen Beruf habe.

00:50:59: Und ich mache natürlich Abstriche dann auf einer anderen Ebene.

00:51:05: Zum Beispiel, ich bin freier Autorin, ich habe keine Anstellung.

00:51:09: Wenn ich nicht arbeite, kommt kein Geld rein.

00:51:11: Und manchmal ist es auch trotz Arbeit nicht besonders viel.

00:51:14: Also das ist auch ein Luxus, den ich mir gehört habe.

00:51:17: Sachen machen zu können, auf die ich wirklich Lust habe und dann dafür aber auch vielleicht nicht so ein geiles Leben finanziell zu haben wie andere Leute, die einen festen Job haben und ewig krank sein können oder, weiß ich nicht, ihre dreißig Urlaubstage haben.

00:51:31: So ist immer eine Entscheidung.

00:51:33: Genau, ich würde es interessieren, ob du Schauerbegleitung in Anspruch genommen hast oder sowas in der Art.

00:51:38: Ich musste zum Glück nicht.

00:51:40: Ich hatte wirklich Glück mit meinem Umfeld, mit meiner Familie, mit meinen Freundinnen und Freunden.

00:51:46: Wir hatten auch in unserer Nähe quasi in unserem ganz direkten Umfeld zwei Familien, die schon jemanden verloren haben.

00:51:54: Ein paar Jahre vorher, also da wusste ich einfach genau, mit wem ich sprechen muss, um mich aufgehoben zu fühlen oder um auch ein Gegenüber zu haben.

00:52:03: Und das weiß, was ich brauche, wie es mir geht und so weiter.

00:52:05: Aber das war einfach Glück irgendwie.

00:52:08: Und fühlte sich manchmal auch ganz übersinnlich an, so wie diese Todesfälle alle in einer Reihe standen.

00:52:14: Und die sind jetzt auch alle beieinander beerdigt.

00:52:17: Und das ist irgendwie ganz schön und ganz beruhigend immer gewesen.

00:52:21: Aber ich kann auch Leute, die total davon profitiert haben.

00:52:24: Also gerade, wenn du eben niemanden hast, der dich da verstehen kann und nicht weiß, wie es dir geht, dann ist das eine super Sache.

00:52:37: Ich wünschte, ich wünschte wirklich, also ich beneide alle Menschen, die irgendeinen Glauben haben an irgendetwas, was auch immer das ist.

00:52:46: Also ich habe auch einige sehr christliche Freundinnen, die sind so unerschütterlich dann in ihrem Leben.

00:52:54: Also die, das ist jetzt nur als Beispiel, das ist immer dieses Wissen, egal was mir passiert.

00:53:00: hat mich an seine Hand.

00:53:02: Gott passt auf mich auf.

00:53:04: Das ist alles nur irgendwie eine Prüfung, die ich überstehen muss.

00:53:07: Und im Jenseits geht es dann weiter.

00:53:09: Das sind natürlich wahnsinnig tröstliche Gedanken.

00:53:12: Und ich wünschte, ich könnte so etwas empfinden.

00:53:15: Also auch, was so spirituelle Ideen angeht.

00:53:20: Sowas wird natürlich auch an mich von allen Seiten immer wieder ran getragen.

00:53:24: Diese Idee von, das hat alles irgendeinen Sinn.

00:53:27: Wir erkennen es halt nur noch nicht.

00:53:29: Und der bestimmt, ist dein Sohn immer noch bei dir und so.

00:53:34: Das ist toll, wenn Leute das so empfinden können.

00:53:37: Ich hab da irgendwie gar keinen Bezug zu.

00:53:39: Und ich glaube, ich bin wahrscheinlich einfach ein viel zu rationaler Mensch, dass wir dazu neigen.

00:53:43: Und gerade was so etwas finales und schrecklich ist, oft ja auch, wie den Tod, irgendwie zu erklären.

00:53:51: Und irgendwie da so ein Mysterium draus zu machen, damit es nicht ganz so schrecklich aussieht.

00:53:58: dass sämtliche Religionen überhaupt erst entstanden sind, weil die Menschen Angst vor dem Tod hatten.

00:54:03: Also alle diese Religionen, die wir haben, die wir kennen, selbst die alten Ägypter, eint ja immer dieser ganz, ganz große Jenseitsglaube.

00:54:11: Und diese Hoffnung darauf, dass das dann irgendwie weitergeht.

00:54:16: Bei den Ägyptern, ihr wisst, was sie alles gemacht haben, die waren ja total besessen vom Leben nach dem Tod.

00:54:22: Und wir finden sie heute noch toll, was die sich da zurechtgebaut haben, was die für Geschichten sich erzählt haben.

00:54:28: Und letzten Endes, wer heute christlich oder spirituell ist, oder egal, muslimisch, jüdisch, buddhistisch.

00:54:37: Lebst du halt irgendwie, hat diesmal nicht gut geklappt?

00:54:39: Machst du im nächsten Leben weiter?

00:54:40: Also was kann es Schöneres geben als diese Vorstellung?

00:54:43: Ich warte noch darauf, dass irgendwas kommt.

00:54:46: Ich würde es mir wünschen.

00:54:47: Das wird mich bestimmt sehr trösen.

00:54:49: Mich wird interessieren, ob es vom Prozess her einen Unterschied macht, ob man über Sex oder den Tod schreibt.

00:54:54: Also von... Sie haben ja schon gesagt, okay, der Tod wird noch mehr totgeschwiegen.

00:54:58: Wow, was für ein Wortschwie.

00:55:01: Sag ich darauf noch nicht gekommen bin.

00:55:05: Aber macht es für Sie als Autorinnen einen Unterschied?

00:55:08: Also, das hier ist ja ein sehr, sehr dünnes Buch, würde ich sagen.

00:55:11: Es hat hundertfünfzig, hundertvierzig Seiten ungefähr.

00:55:14: Das ist mein kleinstes Werk.

00:55:16: Und ich habe ewig da dran geschieben.

00:55:18: Also, es hat wirklich ewig gebaut.

00:55:20: Und es hat mich so viel gekostet.

00:55:22: Also, es war leicht, es zu schreiben.

00:55:24: Ich wusste genau, was ich da reinbringen will.

00:55:27: Aber ich saß so viele Tage wirklich vom leeren Blatt, vom leeren Wörterkument heutzutage, ohne dass da wirklich was raus... rausgekommen wäre und weil ich einfach so unglaublich traurig war über das, was ich da schreibe.

00:55:40: Und das würde ich schon sagen, dass das mich einfach sehr, sehr viel kostet hat im Vergleich zu jetzt, wo unterdrückt das Patriarchat, die Frauen.

00:55:50: Was hat das alles mit mir zu tun?

00:55:53: Das ging dann schon bedeutend leichter von der Hand.

00:55:56: Worüber

00:55:56: kann man danach schreiben?

00:55:57: Was kommt jetzt?

00:55:59: Was kann jetzt noch kommen?

00:56:01: Sex und Tod?

00:56:01: Ich habe die beiden großen Themen der Menschheit.

00:56:03: schon abgehandelt.

00:56:05: Hier vorne ist noch eine Frage gewesen und dann verrate ich auch, was es noch gibt.

00:56:10: Es ist widersprachlos, aber es wartet schon eine Frage in mir.

00:56:14: Wie sind Sie von dem Nein zum Ja gekommen und dem nicht aushalten zu dem Annehmen?

00:56:20: Da stelle ich mir wahnsinnig schwer vor, als Sie haben es, glaube ich, aber auch selber in meinem Interview gesagt, dass es die Erlösung oder das der einzige Weg, lernen das anzunehmen.

00:56:30: Auch da habe ich wieder Glück gehabt.

00:56:33: dass ich schon so viele Dinge in meinem Leben erlebt habe, wozu ich ein ganz ganz großes Nein hatte.

00:56:40: wo ich aber gelernt habe, dass ich nicht weiterleben kann, wenn ich nicht akzeptiere, was passiert ist.

00:56:47: Und dass einfach Mitnehmer als Teil von mir selber, von meiner Biografie.

00:56:52: Und genauso ging es mir dann auch in diesem Fall.

00:56:56: Also das ist etwas, wo für mich einfach kein Weg dran vorbeigeht.

00:57:01: Und ich kann auch gar nicht so genau sagen, wie man das macht.

00:57:05: Was das für ein Schalter ist, den es da umzulegen, gilt.

00:57:09: Ich will einfach so, so, so gerne leben.

00:57:11: Und ich lebe so gerne.

00:57:14: Ich finde, das ist so schön und so ein tolles Geschenk, auf dieser Welt zu sein.

00:57:18: Das finde ich jetzt noch viel mehr als vorher oder wahrscheinlich kann ich es jetzt erst so richtig schüren, ohne dass das so eine blanke Theorie geblieben wäre.

00:57:28: Und ich bin einfach überzeugt davon, das um gut leben zu können und Freude und Liebe und all das Schöne haben zu können.

00:57:37: Man ist das Schlechte.

00:57:38: nenne ich es jetzt einfach mal, obwohl es schlecht ein blödes Ort ist.

00:57:41: Aber das Schlechte wirklich akzeptieren muss, wenn man nichts mehr daran ändern kann.

00:57:45: Und ich weiß nicht, wer diesen Begriff geprägt hat, ob es denen irgendwo aufgeschnappt, diese Idee der radikalen Akzeptant zu sagen, okay, so ist es jetzt gewesen und wie kann ich weitermachen.

00:57:58: Und das bedeutet übrigens überhaupt nicht, diese schlimmen Sachen zu vergessen oder zu verdrängen oder irgendetwas.

00:58:05: Das bedeutet, die anzunehmen.

00:58:07: traurig zu sein und zu leiden und zu wüten.

00:58:11: Aber ich glaube, je mehr wir leiden und je mehr wir wüten, und zwar je mehr wir das wirklich tun.

00:58:15: Ich meine jetzt nicht Jammerai oder irgendwie sowas, sondern wirklich in diese Gefühle reingehen, dass du eher gehen, die weg, und dass du eher können, wenn wir denen auch leben.

00:58:23: So, und dann kommt das Ja.

00:58:25: Danke.

00:58:26: Ja, auf jeden Fall.

00:58:27: Also das ist, glaube ich, wirklich Teil dieser Akzeptanz.

00:58:29: Ich finde tatsächlich diesen Gedanken, dass der Tod auch oder die Gewissheit des Todes auf eine Weise frei machen kann.

00:58:37: die Gewissheit, dass wir es auch nicht wissen, dass so als großes Paket total schön, das denke ich nämlich auch ganz oft, also der Tod ist ja etwas, das wir überhaupt nicht in der Hand haben.

00:58:49: Wir können ganz alt sterben, wir können ganz jung sterben, wie ich jetzt auch gelernt habe, das ist etwas, das wir überhaupt nicht kontrollieren können.

00:58:56: Wir können uns total gesund fühlen und aber eigentlich wartet schon eine Krankheit zum Beispiel in unserem Körper oder wir haben ein Unfall, dass das jeden Tag, jede Minute, kann uns irgendetwas zu stoßen.

00:59:08: Und wenn man sich das so vergegenwärtigt, wie unsicher das Leben eigentlich ist und wie unsicher viele, viele Dinge sind, die uns im Leben widerfahren.

00:59:17: Wir schließen Versicherungen ab gegen alle möglichen Schäden.

00:59:21: Wir bunkern unser Geld bei der Bank.

00:59:23: Wir legen immer irgendwas zurück für die Rente.

00:59:26: Wir geben uns Treue versprechen.

00:59:28: Wir wollen für immer zusammen sein.

00:59:31: Und trotzdem können auch all diese Dinge zu Ende gehen.

00:59:33: Wir können eigentlich für gar nichts... für nichts.

00:59:36: Und wir haben so ein großes Glück, dass wir hier in so einem sicheren Land uns befinden, bei halbwegser Gesundheit, mit einem tollen Sozialsystem.

00:59:45: Das ist so fantastisch, aber auch das ist nicht für immer.

00:59:50: Und es ist ein super befreiender Gedanke für mich, immer wieder auch zu merken, ich habe eben nicht alle Dinge in der Hand, ich kann nicht mein ganzes Leben kontrollieren.

00:59:59: Das ist ein bisschen beängstigend, aber das ist auch so, ich finde, das entlastet auch total zu wissen.

01:00:04: Ich bin nicht für alles verantwortlich.

01:00:06: Ich bin nicht an allem Schuld.

01:00:08: Was in meinem Leben ist, Dinge geschehen ohne mein Zutun.

01:00:12: Ich darf mich auch zurücklehnen.

01:00:14: Ich habe auch keine Frage.

01:00:15: Ich möchte auch nur einen Beitrag erleiden.

01:00:18: Ich habe zwei Töchter in ihrem Alter und für enkel Kinder.

01:00:22: Und ich merke, was diese Geburt und der Tod so gemeinsam haben, dieses Mysterium, was erst abhindet.

01:00:28: Und ich frage mich, wo kommen die Kinder her?

01:00:30: Sie kommen irgendwo her und wir gehen dann irgendwo hin.

01:00:33: Und wir sollten eigentlich den Tod viel mehr reiern und da einen Rest raus machen, finde ich.

01:00:40: Das wünsche ich mir von meinem Tod.

01:00:42: Das ist toll.

01:00:44: Das ist ja letzten Endes auch eine Art Übergangsritus, was auch immer danach kommt.

01:00:49: Aber das ist jetzt hier zu Ende und etwas Neues wängt an.

01:00:52: Es

01:00:52: gibt tatsächlich Kulturen, die das feiern.

01:00:54: Wir verstecken das ein bisschen und andere Kulturen machen tatsächlich ein Fest daraus.

01:00:58: Ich habe mir jetzt gedacht, das ist ein bisschen so eine Mutprobe, so ein Buch oder so ein... Diskurs.

01:01:04: Für manchen fällt es vielleicht einfacher, was Schönes daran, in so einen Abgrund zu schauen und wirklich was befreiendes.

01:01:12: Und für viele andere ist es doch tatsächlich zu beendengstigen.

01:01:15: Und man lässt es lieber sein und lebt weiter.

01:01:18: Ich glaube, das ist nicht wirklich eine Rezept wie jeden oder jede.

01:01:21: Doch.

01:01:24: Ich finde schon, es ist... Alle Menschen, die irgendwelche Ängste haben, wissen ja, dass alles, was hilft, ist die Flucht nach vorne.

01:01:33: Wenn du Angst hast, von der Höhe musst du irgendwann in die Höhe gehen.

01:01:37: Wenn du Angst hast vor der Bühne musst du irgendwann auf die Bühne gehen.

01:01:40: Und wenn du das Gefühl hast, du kannst den Gedanken an den Tod nicht aushalten, dann wird es dir sehr viel besser stehen, dich mit dem Tod zu beschäftigen, beweiht dich ein, holt so.

01:01:49: Das ist meine Meinung.

01:01:51: Ist das ein Schlusswort oder haben Sie noch eine Frage?

01:01:53: Wir

01:01:54: haben uns ein bisschen länger Fragen überlegt und die wurden jetzt alle gestellt, aber bei uns doch noch nicht agriben.

01:02:00: Ich kenne das so aus meiner Familie, dass so bei jemandem stirbt.

01:02:03: Man macht sich schon so öfters Vorwürfe oder meine Eltern.

01:02:06: Ich habe das gesehen, dass sie sich Vorwürfe gemacht haben, was man hätte anders machen können, wie man hätte die Personen noch anders behandeln können, als die gelebt haben.

01:02:13: Und ich habe mich gefragt, ob sie das auch kennen oder ob sie das auch hatten.

01:02:16: Ja, voll.

01:02:17: Also mir ist ja quasi mein Kind so unter den Händen weggestorben.

01:02:20: Er hatte ganz plötzlich so einen Herzkreislaufstillstand und ich war diejenige, die dabei war und die das mitkommen hat.

01:02:27: Und auch wenn ich jetzt weiß, dass wir nichts hätten tun können, also rational, denke ich natürlich trotzdem, wir hätten das noch anders machen können und die Ärzte hätten das noch tun können und so weiter.

01:02:40: Also das war so eine kleine Kaskade von, wie in Obduktionsbericht steht, schicksalhaften, weiß ich nicht was, also irgendwas schicksalhaftes.

01:02:51: Und trotzdem, also das bleibt natürlich immer.

01:02:53: Ich kenne das auch von vielen anderen, was du ... Es gibt so etwas, das gibt ein Begriff tatsächlich für, der nennt sich Überlebensschuld.

01:03:03: Das haben ganz oft Menschen, die bei Katastrophen überlebt haben und eben andere sind gestorben, die werden dann von schrecklichen Schuldgefühlen geplagt.

01:03:15: Warum die anderen und nicht ich?

01:03:16: Womit habe ich das verdient, weiterzuleben?

01:03:18: Die hätten es vielleicht mehr verdient und so weiter.

01:03:20: Und das gibt es eben auch unabhängig von Katastrophen.

01:03:23: Es ist immer so, ich habe mich nicht ausgesprochen mit... mit dem ich hätte eher den Arzt holen sollen, ich hätte mehr da sein sollen, was auch immer.

01:03:31: Ich glaube, das gehört zum Gesamtpaket einfach dazu, jemand geliebt es zu verlieren und das zu betrauern und sich Vorwürfe zu machen.

01:03:41: Aber auch da ist radikale Akzeptanz irgendwann das Mittel der Wahl, sich zu sagen, es war jetzt einfach so wie es war.

01:03:51: Wir können nichts daran ändern.

01:03:52: und auch Wiedervergebung und Selbstvergebung.

01:03:56: Man kann das Rad als halt nicht zurückdrehen.

01:03:57: Okay, danke schön.

01:03:58: Ich meinte das auch nicht so auf das Moment bezogen, wo die Person stirbt, sondern wie man das Leben mit der Person gehört hat.

01:04:05: Ja, voll.

01:04:05: Also, wie man zu der Person war.

01:04:06: Oder dachten Sie danach, also haben Sie sich vielleicht mal gedacht, dass Sie eine andere Mutter hätten sein können, oder?

01:04:12: Nee, also da, also da haben wir wirklich übereinstimmt, alle sagen können, Mann, der hatte echt ein gutes Leben.

01:04:21: So, der hat, dem hat ... an nichts gefehlt, der hat es wirklich schön gehabt.

01:04:27: Aber trotzdem diese emotionale Komponente ist mir total bekannt aus wirklich ganz vielen Kontexten von.

01:04:33: ich hätte mehr reingeben sollen, ich hätte da sein sollen und so weiter, das glaube ich super weit bereitet und gehört und ich glaube auch diese emotionale Komponente gehört zu dieser Überlebensschuld, dass man sich irgendwie immer der verstorbenen Person gegenüber schuldig fühlt.

01:04:46: Das ist aber kein schönes Schlusswort.

01:04:48: Können wir noch irgendwie eine schöne Frage kriegen?

01:04:52: Ich versuche schön darauf zu antworten.

01:04:55: Also meine Frage geht dahingehend, ob es für Sie einen Unterschied macht, dass Sie so plötzlich Abschied nehmen mussten von Ihrem Sohn oder aufs Anders gewesen wäre, wenn Sie gewusst hätten, er hat irgendwie eine Erkrankung, die halt auch zum Tod wird, aber Sie hätten vielleicht noch mehr Zeit gehabt.

01:05:11: Ich würde sagen, vermuten, dass, wenn man Zeit hat, sich auf den Todwort zu bereiten, dass die Tatsache, dass da jemand stirbt, gleich schlimm ist und gleich... schrecklich, aber dass der Schock dann nicht so vehement ausfällt.

01:05:27: Also wenn du so davon überrascht wirst, von jetzt auf gleich, dann hast du ja überhaupt keine Handhaber.

01:05:35: Das ist wirklich so eine eisame Faust.

01:05:39: Und dann musst du damit irgendwie zurechtkommen.

01:05:42: Ich glaube, dass das leichter gewesen wäre, weil mich tatsächlich diese Plötzlichkeit sehr, sehr belastet hat über lange Zeit.

01:05:51: Also ich glaube, am Ende ist das bis jetzt noch das Schrecklichste daran, dass das so unvorhergesehen kam und uns so hatilflos fühlen lassen.

01:05:59: Aber ich weiß das natürlich nicht.

01:06:01: Also das ist total schwer zu sagen.

01:06:03: Das habe ich nicht schön beantwortet.

01:06:07: Das ist schwer zu sagen.

01:06:12: Aber vielen Dank trotzdem.

01:06:15: Ich würde sagen, jetzt ran an die Bücher und wir sehen noch eine Weile da und vielen herzlichen Dank.

01:06:20: Vielen Dank Ihnen auch.

01:06:21: Danke, dass Sie alle gekommen sind.

01:06:23: Und danke für die vielen Fragen, die am Ende dann ja doch irgendwie alle so aufgeploppt sind.

01:06:34: Vielen Dank.

Über diesen Podcast

Wir sprechen mit Menschen und wir kommen ihnen nah. Der Podcast wurde während der erstaunlichen Corona-Zeit aus der Taufe gehoben, als die persönliche Kontaktaufnahme durch soziale Distanzierung ersetzt werden musste. Aus Trotz entschieden wir uns den Menschen so nah wie nur möglich zu kommen. Unseren Gästen rücken wir mit unseren Fragen ganz liebevoll auf die Pelle. Und auch Ihnen, wenn Sie es erlauben. Mit Ihren Kopfhörern können Sie unsere Gespräche überall anhören: auf dem Sofa, unterwegs, in einem Warteraum, auf der Wiese…

Lernen Sie mit uns außergewöhnliche Menschen aus Nürnberg und Umgebung, ihre Meinungen und ihre Geschichten kennen.

von und mit Bildungszentrum Nürnberg

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